Der Wiener Platz ist der Mittelpunkt des Kölner Stadtteils Mülheim. Dienstags, donnerstags und samstags bieten Händler auf dem Wochenmarkt frisches Obst und Gemüse an. Hier gibt es einen U-Bahn-Tunnel, Geschäfte, Gastronomie, Apotheken und Banken – ein typischer Großstadtplatz. Der Wiener Platz ist auch: Sozialer Brennpunkt. Obdachlosigkeit, Drogen, Gewalt und Kriminalität gehören zum Alltag. Am Wiener Platz kennt Linda Rennings sich aus. Zwei bis drei Mal pro Woche kommt sie mit ihrem Bollerwagen her und versorgt Obdachlose. Mit dabei, wenn immer möglich: Ihr Hund Clayd. Sie ist das Gesicht, das Herz und der Kopf des Vereins Heimatlos in Köln e.V. Auch ALDI SÜD unterstützt den Verein. Ihre eigene Erfahrung mit Obdachlosigkeit hat Linda dazu bewogen, den Verein zu gründen, der sich vor allem für den Schutz wohnungsloser Frauen einsetzt. Wir stellen Euch Linda und ihre Arbeit näher vor.

Unbürokratische Hilfe in Krisensituationen
Unser Kontakt zum Heimatlos e.V. und zu Linda Rennings, besser bekannt als „Kölsche Linda“ entstand zu Beginn der Corona-Zeit. Der Shut Down hat die Wohnungslosen besonders hart getroffen. Hilfsangebote und Notunterkünfte waren nur noch eingeschränkt verfügbar. Angebote wie Duschen, Wäsche waschen und die Essenversorgung mussten runtergefahren werden. Also hat Lindas Verein organisiert, dass eine mobile Toilette und Dusche aufgestellt wurden. Auch Lebensmittelspenden fielen plötzlich weg. Hier war schnelle und unbürokratische Hilfe gefragt. ALDI SÜD hat dem Verein daher mit Einkaufsgutscheinen unter die Arme gegriffen.
Ehrenamt als Fulltime-Job
Wir erwischen Linda am Handy, gerade auf dem Weg zur „Austeilung“, wie ihre Touren durch Köln-Mülheim heißen. Ihr Ehrenamt ist ein Full-Time-Job. In ihrer Wohnung packt sie Tüten mit Lebensmitteln. Von hier koordiniert sie die Arbeit, treibt Spenden und Unterstützung für den Verein Heimatlos ein, pflegt die Website und die Facebook-Seite. „Wir machen ‚aufsuchende Sozialarbeit‘, also klassische Streetwork“, sagt Linda. Sie ist keine gelernte Sozialarbeiterin, aber sie weiß, wovon sie spricht. „Man muss zu den Leuten hin, sonst erreicht man die nicht“, sagt Linda. Dazu gehörte es zum Beispiel auch, die Menschen in der Corona-Krise zu informieren: Flyer in verschiedenen Sprachen zu drucken, um Menschen zu erreichen, die nicht selbstverständlich Zugang zum Internet haben.

Fünf Fragen an die „Kölsche Linda“
Linda, wie sieht Dein Tag aus, wenn Du draußen unterwegs bist?
Unser Verein versorgt am Wiener Platz etwa 50 bis 70 Menschen mit Lebensmitteln. Natürlich mit Mundschutz und auf Abstand, im Moment. Grundsätzlich ist mir ganz wichtig, dass wir nachhaltig arbeiten. Wir helfen auch beim Papierkram. Das fängt bei ganz grundlegenden Dingen an. Wie bekomme ich einen Ausweis? Wie stelle ich Anträge auf Unterstützung? Wir kümmern uns auch um die Gesundheit. Die Hemmschwelle für Wohnungslose, zum Arzt zu gehen, ist hoch. Viele sind nicht krankenversichert. Wir haben oft eine Sanitäterin dabei und versorgen Wunden. Ich bin gelernte Genesungsbegleiterin und kann die Menschen da unterstützen. Wir bringen auch Hygieneartikel zu ihnen. Zahnpasta, Deo und Duschgel und im Moment natürlich Desinfektionsmittel und Masken. Auch gern gesehen ist Hundefutter. Hunde sind für Wohnungslose extrem wichtig. Sie sind ihre Begleiter und Beschützer, gerade für Frauen.
Du hast den Verein Heimatlos e.V. gegründet, um speziell wohnungslosen Frauen zu helfen. Was sind die besonderen Herausforderungen für Frauen, die auf der Straße leben?
Ich möchte den Frauen, die ohne Wohnsitz sind, eine Stimme geben. Sie sind häufiger Opfer von Gewalt, auch von sexueller Gewalt. Es gibt Suchtprobleme und psychische Probleme. Aber auf der Straße haben die Leute auch ganz normale zwischenmenschliche Angelegenheiten. Es entstehen Freundschaften, auch Paarbeziehungen. Da reden die meisten Frauen lieber mit einer Frau drüber. Wir versorgen natürlich alle Männer und Frauen, die Hilfe brauchen. Aber mir ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass wohnungslose Frauen zu den schwächsten Gliedern unserer Gesellschaft gehören.

Was ist das Ziel Eurer Arbeit mit dem Verein Heimatlos?
„Hinsehen und nicht weggehen“ ist das Motto des Vereins Heimatlos. Wir möchten Akzeptanz schaffen. Auf allen Seiten. Hier am Wiener Platz prallen zwei Welten aufeinander. Es gibt natürlich einen Kontrast zwischen der Welt, in der Obdachlose leben und der Geschäftswelt oder der Welt der Bürger und Kunden, die hier einkaufen und ihrem Alltag nachgehen. Wichtig ist, dass beide Seiten Verständnis haben. Wir brauchen die Unternehmen, Gastronomen und Händler vor Ort, die uns unterstützen. Gleichzeitig möchte ich auch, das die „Szene“ sich entsprechend benimmt. Da mache ich auch mal eine klare Ansage. Ein erklärtes Ziel ist es auch, den Wiener Platz zu befrieden, Präsenz zu zeigen, zu deeskalieren.
Was wünschst Du Dir für Deinen Verein?
Ein Traum wäre es, Räumlichkeiten zu finden, in denen wir ein Streetwork-Büro einrichten können. Hier vor Ort in Köln-Mülheim. Das würde unsere Arbeit enorm erleichtern. Im Idealfall könnte aus meinem Ehrenamt dann ein richtig geregelter Job werden. Die Menschen hätten einen Rückzugsort, an dem man auch mal ungestört ein Vier-Augen-Gespräch führen kann. Der Verein könnte seine Hilfsangebote ausweiten. Auch Mitglieder sind jederzeit willkommen, es gibt auch die Möglichkeit einer Fördermitgliedschaft. Der Mitgliedsbeitrag fließt direkt in unsere sozialarbeiterische Arbeit und kommt den Wohnungslosen in Köln zu Gute. Aktuell sammeln wir außerdem bei Betterplace für ein Hilfe-Mobil.
Linda, wer dir zuhört, kann sich kaum vorstellen, dass eine Frau allein all diese Arbeit bewältigen kann, und das ehrenamtlich. Wie schaffst du das?
Darauf gibt es eine kurze Antwort: Der Verein Heimatlos ist eben mein Herzensprojekt. Sozusagen mein Lebenswerk.
Weitere Infos zu unserem Engagement findet Ihr unter: aldi-sued.de/engagement.
Hier geht es zur Webseite des Vereins Heimatlos in Köln e.V.
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